Es gibt Tage, da sitze ich vor meiner To-do-Liste und spüre ein leises Unbehagen. Nicht, weil sie zu lang ist, sondern weil sie mir ein Gefühl vermittelt: Ich bin nur dann wertvoll, wenn ich etwas leiste.
Vielleicht kennst du das auch. Dieses ständige „Ich müsste eigentlich…“, das uns antreibt – und gleichzeitig erschöpft.
In einer Welt, die Effizienz feiert, ist es gar nicht so leicht, sich davon zu lösen. Überall hören wir: „Mach mehr aus deinem Tag“, „Nutze dein volles Potenzial“, „Bleib dran“. Doch kaum jemand spricht darüber, wie viel Energie es kostet, ständig funktionieren zu wollen. Und wie heilsam es sein kann, bewusst weniger zu müssen.
Das „Muss“ im Kopf
Wir alle haben innere Regeln, die wir unbewusst befolgen.
„Ich muss immer erreichbar sein.“
„Ich darf keine Zeit verschwenden.“
„Ich muss erst etwas leisten, um mich zu entspannen.“
Diese Gedanken klingen nach Disziplin, doch oft rauben sie uns Lebensqualität.
Denn wenn alles zum „Muss“ wird – sogar das, was uns eigentlich Freude machen sollte – dann verlieren wir das Gefühl für Leichtigkeit.
Ich habe irgendwann gemerkt, dass es nicht darum geht, gar nichts mehr zu tun, sondern anders zu handeln: bewusster, langsamer, echter.
Es geht darum, sich zu fragen:
Muss ich das wirklich – oder glaube ich nur, dass ich es muss?
Weniger Tun, mehr Sein
Das klingt nach einem schönen Spruch, oder?
Aber es ist tatsächlich eine Übung.
Wenn ich morgens aufstehe und nicht sofort etwas „produktiv“ tue – kein Handy, kein Plan, kein Ziel – dann meldet sich mein innerer Antreiber.
Er flüstert: „Du verlierst Zeit.“
Und genau dann versuche ich, kurz innezuhalten.
Ich atme.
Ich spüre den Moment.
Und ich erinnere mich: Ich darf einfach sein.
Dieses „Sein“ ist kein Stillstand. Es ist ein Raum, in dem Gedanken sich sortieren, in dem Kreativität entstehen darf. Viele meiner besten Ideen sind nicht am Schreibtisch entstanden, sondern beim Spazierengehen, Kochen oder Tagträumen.
3 kleine Impulse, um das „Müssen“ loszulassen
- Sprich es aus.
Wenn du merkst, dass du dich gestresst fühlst, weil du etwas „musst“ – sag es laut.
Oft verliert das Wort seine Macht, sobald es ausgesprochen wird.
Du kannst dich dann fragen: Will ich das wirklich? Oder tue ich es, weil ich glaube, ich sollte? - Mach Dinge ohne Ziel.
Lies, male, laufe, schreibe – einfach so. Nicht, um besser zu werden oder etwas zu erreichen.
Nur, um wieder in Kontakt mit dir selbst zu kommen. - Lerne, Leerlauf zu schätzen.
Wenn du nichts tust, tust du in Wahrheit viel.
Dein Geist ordnet sich, dein Körper atmet auf.
Nichts ist verschwendet, wenn du es bewusst erlebst.
Ein neuer Umgang mit Zeit
Ich habe aufgehört, meine Tage in „produktive“ und „unproduktive“ zu unterteilen.
Manchmal ist es produktiv, einen Spaziergang zu machen, weil ich danach klarer sehe.
Manchmal ist es produktiv, nichts zu tun, weil ich mich selbst wieder spüre.
Wir dürfen lernen, unsere Zeit nicht nur in Ergebnissen zu messen.
Sondern in Momenten, die sich richtig anfühlen.
Vielleicht bedeutet „einfach leben“ genau das:
Nicht mehr ständig zu optimieren, sondern wieder zu spüren, dass man genug ist – genau jetzt, mitten im Unperfekten.

